Die vietnamesische Küche steht vor allem für zwei Gerichte: zum einen die Pho-Suppe, die aus Reisnudeln, einer oder mehreren Fleischeinlagen und vielen frischen Kräutern besteht, und die belegten Baguettes mit dem Namen Bánh Mì, auf die zumeist auch allerlei Fleisch, etwas Gurke oder geriebene Möhren/Kraut, Soßen sowie ebenfalls frische Kräuter kommen.
Dazu kommen natürlich noch Sommerrollen, Frühlingsrollen, gebratener Reis und gebratene Nudeln in vielen Variationen, die man auf fast jeder Speisekarte findet. Außerdem omnipräsent ist die Fischsoße, mit der gerne gewürzt wird.
Für mich als Vegetarierin hörte sich das Angebot erstmal schwierig an. Und obwohl ich mich natürlich vor der Reise schlaugelesen hatte, waren wir bereits zweieinhalb Wochen in Vietnam, bis ich endlich das Konzept der tatsächlich existierenden vegetarischen Küche verstand. In Dong Hoi hatten wir in unserem Tagebuch noch vermerkt, dass ein vegetarisches Restaurant in Vietnam nicht unbedingt ein vegetarisches Restaurant sei, da die Speisekarte in einem eben solchen voller Fleisch war. Später in Hue hatte uns unsere Gastgeberin in eine bestimmte Straße geschickt, auf der es mehrere "Chay" - also vegetarische - Restaurants geben sollte. In dem Restaurant, in dem wir letztendlich landeten, fühlte ich mich jedoch gänzlich an der Nase herumgeführt - schließlich lagen da Hähnchenkeulen, Shrimps, Rindfleisch und viele andere Varianten verschiedenster Tiere. Da konnte der Inhaber noch so sehr wiederholen "yes, all chay". Musste wohl mal wieder ein anderes Verständnis von vegetarisch sein. (In Indonesien beispielsweise musste ich beim gebratenen Reis mit Gemüse stets "ohne Hühnchen" dazusagen...) Und so kann dann eine fragwürdige Auswahl aussehen:
Es dauerte noch einige Tage, bis wir im von westlichen Touristen völlig ignorierten Strandörtchen Tuy Hoa essen gingen, bevor ich endlich verstand. Ich hatte dort im Internet nach einem Chay-Restaurant gesucht und war als wir dort ankamen erstmal recht angetan, bis sich mir wieder dasselbe Bild wie in Hue bot. Wieder konnte niemand Englisch, aber sie beteuerten "an chay, an chay" (vegetarisches Essen) und "khong thit" (ohne Fleisch). Auch die ungläubigen Blicke der Westlerin ließen sie nicht davon abbringen. Schließlich packte einer der Gäste sein Englisch aus: "all no meat". Nun wurde es mir doch unangenehm. Ich seufzte, bestellte Reis mit Gemüse und dem, was klar wie Tofu aussah, und wir setzten uns. Ein Minivan hielt vor dem kleinen Lokal. Nicht schon wieder eine Busladung Touristen, dachte ich, noch von Hoi An geprägt. Doch dann kam meine Erleuchtung: aus dem Bus kletterte eine Gruppe buddhistischer Mönche, die fröhlich auf den Höckerchen des Chay-Restaurants Platz nahmen.
Und meine Puzzleteile Wissen setzten sich zu einem Gesamtbild zusammen: "An chay", das wusste ich, wurde in der typischen Klosterküche in Vietnam zubereitet, da die buddhistischen Mönche hier strikte Vegetarier sind. Strikt bedeutet z.B. auch keine Fleischbrühe in der Pho-Suppe und keine Fischsoße im Essen. Außerdem verzichten sie auf Knoblauch und Zwiebeln sowie Kräuter wie beispielsweise Koriander. Dass auch von den 85% der Vietnamesen, die Buddhisten sind, viele nach dem Mondkalender um den Vollmond sowie um den Neumond herum auf Fleisch verzichten, war mit ebenfalls bekannt. Beruhigt aß ich meinen Teller leer, löffelte die Suppe (auf Pilz-Basis) aus und probierte sogar Tims seltsam fleischig aussehende Konstrukte.
Später im Bett las ich nach, dass die wenigsten Vietnamesen dauerhaft auf Fleisch verzichten. Allerdings wird, wenn jemand gestorben ist, schon mal eine reinigende Trauerphase von bis zu 49 Tagen des Fleischverzichts eingelegt, welche die Karmapunkte des Verstorbenen aufbessern und ihm beim Einstieg in sein nächstes Leben helfen soll. Damit die Vietnamesen aber auch in solchen Zeiten auf nichts wirklich verzichten müssen - und hier kommt meine Hähnchenkeule aus Hue ins Spiel - hat man in Vietnam unglaublich authentische, auf Sojabasis hergestellte, Fleischimitate entwickelt. (In dem Kontext fiel mir ein, dass es auch in Köln ein veganes vietnamesisches Restaurant gibt, das z.B. täuschend echte Ente serviert, was ich niemals für authentische vietnamesische Küche gehalten hätte - ein weiteres Puzzleteil für mich.) Hier ein paar schöne Beispiele sogar veganer Alternativen:
Da ich das Konzept nun einmal verstanden habe, wird es vermutlich schwer werden, mich zukünftig von den Chay-Restaurants, in denen ich so viele vietnamesische Spezialitäten probieren kann, fernzuhalten und wieder vom einfachen "Reis-mit-Ei-und-Gemüse"-Gericht in den normalen Läden zu überzeugen. Wobei mir zu gut gemachte Fleischimitate dann auch wieder nicht schmecken und ich dann doch auch dort wieder bei Reis, Tofu und Gemüse landen könnte. Übrigens gibt es in den Chay-Restaurants natürlich auch Bánh Mì mit Fleischimitat und auch wenn das mein Fall nicht ist, habe ich mir sagen lassen, dass das auch ganz gut schmeckt. Aber leider haben die Chay-Restaurants kein Bier, weshalb ich wohl nicht damit rechnen kann, dass wir da nun immer hingehen...
Toni 29.09.2018 um 07:43 Uhr
Ein super Bericht. Mitfiebern trifft es voll. Und immer um das Wohlergehen des Mannes besorgt. Tim darf nicht unterhopfen. 😉
Britta 16.09.2018 um 15:10 Uhr
Gut, dass ihr so viel Zeit fuer Vietnam eingeplant habt, da koennt ihr es euch nach der Erkenntnis noch lange schmecken lassen. Tim kann ja sein Bier anschließend to go einnehmen ;-)
Anne 15.09.2018 um 18:53 Uhr
Ich habe beim Lesen richtig mitgefiebert und mich gefreut, dass es ein Happy End gab! Sieht lecker aus! Weiterhin eine tolle Reise und viel Glück mit dem wirklich vegetarischen Essen! :)
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